Peter Renz - Botschafter der Teppichkultur

Jeder ist ein Original und einzigartig“, sagt Peter Renz mit leuchtenden Augen. Um ihn herum in seiner früheren Filiale in Schramberg liegen Teppiche in allen Farben und Formen. Die kunstvollen Handgewebe, von denen er jedes Detail kennt, haben das Leben des 73-Jährigen geprägt und ihm eine unwahrscheinliche Karriere beschert – zwischen Orient und mittlerem Schwarzwald, Weltbürgertum und württembergischer Beschaulichkeit. Das Ladengeschäft hat er inzwischen an seinen Nachfolger abgegeben, doch der frühere Chefeinkäufer des Fachhandelsverbands Gilde International ist weiterhin aktiv. Immer noch pilgern Teppichliebhaber in die „Talstadt“ mit ihren knapp 21 000 Einwohnern, um sich von dem vereidigten Sachverständigen beraten zu lassen. Innerhalb von vier Jahrzehnten hat er sich international einen Ruf erarbeitet. Als der TV-Sender arte 2008 einen Film über die aussterbende Teppichkultur der Nomaden im Iran dreht, reist Renz als Experte mit. Die hochwertige Handarbeit ist sein Lebensthema.

Seit 1970 beherrschen Orientteppiche das Berufsleben von Peter Renz.
Seit 1970 beherrschen Orientteppiche das Berufsleben von Peter Renz.

Weltweite Suche

Reisen gehört für den Kenner seit jeher zum Geschäft. 1967 steigt er ins elterliche Fachgeschäft für Raumausstattung ein, 1970 beginnt er mit dem Aufbau seines Orientteppichhauses. Da hat der gelernte Textiltechniker und Teppichweber unter anderem in Paris Erfahrungen mit der Materie gesammelt. Er setzt auf Kontakte vor Ort mit den Knüpfern, bereist eine lange Liste an Ländern von Marokko bis China. In diesem Jahr kommt er mit der Teppich-Handelsfirma Miri in Teheran ins Gespräch. Renz ist im Laufe seiner Karriere unter anderem in Tibet, Indien und Rumänien aktiv. Doch besonders eng ist die Zusammenarbeit mit dem Familienunternehmen aus der iranischen Hauptstadt – bis die Sanktionen im Atomstreit dies in jüngster Zeit fast unmöglich machen.

Der Schramberger kennt die vielen Gesichter des Iran. Er ist der Familie Miri längst freundschaftlich verbunden, hat das Land, das er meist Persien nennt, oft besucht – auch in Zeiten, in denen das wenig opportun war. „Ich war einer der Wenigen, die nach der iranischen Revolution 1979 in das Land durften“, erinnert sich Renz.

Er habe das Glück gehabt, zu Schah-Zeiten noch nicht gefragt gewesen zu sein – und lege auch heute Wert darauf, sich aus der Politik herauszuhalten. „Ich weiß, ich muss nicht gegen die Regierung schimpfen. Das ist in keiner Diktatur besonders hilfreich und bringt niemandem etwas. Ich muss denen aber auch nicht nach dem Mund reden.“ Immerhin: Das Handelsministerium der islamischen Republik Iran hat ihn zum „Botschafter honoris causa“ ernannt.

Meist gelingt es Renz, sich aufs Geschäft zu konzentrieren, doch in der Zeit nach dem Sturz des Schah-Regimes wird ihm ein Moment der Offenheit zum Verhängnis. Als sich der Aufpasser, ein Revolutionswächter, mit seinen Taten brüstet, erklärt Renz seinem Partner Miri, nicht „mit einem Mörder“ im Auto sitzen zu wollen. Der Gescholtene versteht Englisch und übergibt den Händler als „Spion“ der Polizei. Nach zehn Tagen Haft kommt Renz wieder frei. „Das war schwierig“, sagt er knapp. Seine Frau Ute erkennt den Ausgemergelten kaum wieder.


Bedrohte Kultur

Es ist die einzige schlechte Erfahrung, von der Renz berichtet. Für ihn ist der Iran vor allem ein faszinierendes, vielfältiges Land mit reicher Kultur. Doch so manches bedrückt den „Ambassador des iranischen handgeknüpften Teppichs“, wie ihn ein Ehrendiplom nennt: „Heute leben vielleicht noch zehn Prozent der Bevölkerung von der Teppichproduktion“, sagt er. Zu den Hochzeiten waren es etwa 25 Prozent.
„Die Sanktionen sind stark spürbar, es gibt hohe Arbeitslosigkeit und Inflation“, erklärt Renz. „Ich kann aus Deutschland keine Teppiche in Auftrag geben.“ Momentan stehe das Geschäft mit den Miris still – und damit auch das mit den Knüpferinnen. „Bei den Teppichen trifft man vor allem die Dörfer und die Bevölkerung“, sagt Renz. „Ich habe Bilder, auf denen Frauen zu sehen sind, die ein Leben lang an einem Teppich für eine Moschee gearbeitet haben mit 150 bis 200 Quadratmetern“, sagt Renz.

„Das ist heute viel zu teuer.“ Auf dem Basar in Teheran sei der Wandel deutlich zu sehen. „Da finden Sie zu 90 Prozent mechanische Teppiche aus der Türkei, China, Belgien“, sagt Renz. Allgemein ist die Handwerkskunst unter Druck, nicht zuletzt durch maschinell gefertigte Ware, die bei den großen Möbelhäusern Einzug gehalten hat. „Das war ein Niedergang“, erinnert sich Renz. Aber auch seine eigene Zunft trage Schuld daran. „Die Teppichbranche hat versagt“, sagt der Mann über die Imagepflege, den Wirtschaftsminister Ernst Pfister anlässlich der Verleihung der Wirtschaftsmedaille 2011 einen „wahren Vorreiter im Kampf gegen illegale Kinderarbeit“ nannte. Ob Kindergartenprojekt in Nepal, Mädchenschule im Südiran oder Hilfsaktion in Indien – Renz und Kollegen haben vielfach in Infrastruktur investiert.


„Da Bach na“ in Schramberg

Bei aller Kritik und Problemen, die den Fachhandel plagen: Über mangelnde Arbeit kann Renz sich nicht beklagen. Er ist auch heute noch unterwegs, um Kunden den einen passenden Teppich in die Wohnung zu legen. Am Ende geht es dann wieder zurück nach Schramberg. Er ist seiner Heimatstadt treu geblieben, wohnt in jenem Haus das sein Urgroßvater 1898 für seine Sattlerei und Polsterei bauen ließ. Er habe zwar mit größeren Städten geliebäugelt, gibt er zu. „Aber da war ich schon erfolgreich.“ Die Kleinstadt sei für ihn auch ein Ausgleich. „Und es ist ja nicht so, dass ich in Schramberg versauere“, sagt der Weitgereiste, der sich als „normaler Schramberger“ versteht.

Wenn am Rosenmontag 40 Zuber die Schiltach hinunterfahren, ist Renz bei der „Da-Bachna-Fahrt“ mittendrin. Beim Fasnachts-Zunftball tritt er im Duo „Roter Uwe und Schwarzer Peter“ auf. „Ich habe die Basis zu den Schrambergern nie verloren“, sagt der 73-Jährige – auch wenn „Teppich-Renz“ bekannt ist wie ein bunter Hund. Es klingt, als ob sein Lebensthema den Botschafter der Teppichkultur noch eine ganze Weile beschäftigen wird: „So lang’s geht, geht’s.“


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